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Neben Luft
ist Wasser unser wichtigstes Lebens-Mittel. Doch heute haben wir Menschen mit
dem Wasser etwas angestellt, was Jahrmillionen undenkbar war. Wir haben die
Natur so zerstört, dass sauberes Wasser immer knapper wird. Seen, Flüsse, Bäche,
sogar das Regenwasser sind so stark belastet, dass wir nur über hochkomplizierte,
mehrfache chemisch-technische Verfahren Wasser wieder trinkbar machen können.
Ein schöner
Augustmorgen am Wetterstein. Der Bergbach hinter Schloss Elmau führt noch
klares, reines Wasser. Ich schöpfe das Wasser mit den Händen und trinke es. Es
schmeckt köstlich und erfrischt. Zwei etwa fünf- bis sechsjährige Jungen, die
hier bei Garmisch-Partenkirchen wohl in den Ferien sind, kommen an den Bergbach
und können es nicht fassen: Darf man Wasser einfach aus dem Bach trinken?
Vergiftet man sich da nicht? Erst ihre hinzukommende Mutter kann sie wieder
beruhigen: Nein, nein, der Mann stirbt nicht.
Wie schlimm
muss es um unser Lebensmittel Wasser bestellt sein, wenn Kinder sich nicht mehr
vorstellen können, dass man es aus einem Bergbach einfach trinken kann! Und
unter welch naturentfremdeten Voraussetzungen wächst diese Generation auf!
Woher soll sie die Kraft und Motivation haben, sich einmal für etwas
einzusetzen, das sie gar nicht mehr kennt, nämlich natürlich reines Wasser!
Wasser ist
eine Meisterleistung der Natur und eine einzigartige Schöpferleistung unseres
Planeten. Wasser ist Leben und Urgewalt und unser ständiger Begleiter - vom
Mutterleib bis zu unserer letzten Sekunde. Früher betrachteten die Menschen
aller Kulturen das Wasser als etwas Besonderes, ja als etwas Heiliges. Das
heißt: als etwas Heiles und Heilendes. Meere, Flüsse und Seen waren von guten
und bösen Geistern bewohnt. Unsere Vorfahren opferten den guten Geistern bevor
sie einen Fluss überquerten oder eine Reise antraten. Wir Heutigen lächeln über
diesen "Aberglauben" und werfen unsere Abfälle und unseren Überfluss in Bäche,
Ströme und Seen.
Eine noch
intakte Wasserethik sagt uns: Pestizide haben im Grundwasser grundsätzlich
so wenig verloren wie im Trinkwasser. Es ist rational nicht nachzuvollziehen,
warum die Allgemeinheit über teure Aufbereitungsanlagen das bezahlen soll, was
nach dem marktwirtschaftlich doch gültigen Verursacherprinzip die chemische
Industrie oder die Landwirte zu bezahlen hätten. Das Prinzip Verantwortung ist
die Bedingung einer ökologischen Wasserwirtschaft und jeder wirklichen
Marktwirtschaft.
Weltweit sind zwei Milliarden Menschen von Wasserknappheit bedroht. Jedes Jahr
sterben zehn Millionen an Wassermangel und an verseuchtem Wasser. Am Tag, an dem
Sie diese Zeilen lesen, sind das 27.000 Menschen. Die meisten Hungerkatastrophen
sind Wasserkatastrophen
Im Frühsommer
2005 prügelten sich deutsche Urlauber und spanische Bauern an der Costa del Sol
um Brunnenwasser. UNO-Experten sagen voraus: Wasser wird bald kostbarer als
Gold. Und im Sommer 1995 stritten Ägypten und der Sudan so heftig um Nilwasser,
dass sogar ein Krieg befürchtet wurde.
Der Jordan
führt heute nur noch ein Drittel seiner früheren Durchlaufmenge ins Tote Meer.
In Syrien, Jordanien, Irak und in ganz Nordafrika trocknen weite Gebiete aus.
Vor allem an den Flussläufen werden die Konflikte zunehmen. Weil
40% der
Weltbevölkerung an grenzüberschreitenden Flusssystemen leben und 120 der 200
größten Ströme wesentliche Teile ihres Wassers aus mehr als einem Staat
beziehen. Der Wasserbedarf steigt doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung.
Treibhauseffekt und Wassermangel führen zur Versalzung der Erde. Jeden Tag
breiten sich die Wüsten zurzeit um mehr als 20.000 Hektar aus.
Auch die
Weltbank befürchtet, dass es bald Kriege ums Wasser geben wird und nennt drei
Beispiele eines "Krisenszenarios, das ganz Asien bedroht":
Thailands Hauptstadt Bangkok wird im Jahre 2025 nicht mehr in der Lage sein, den
Trinkwasserbedarf seiner Einwohner sicherzustellen;
In
Indonesiens Hauptstadt Jakarta ist schon heute das Wasser aus dem städtischen
Wassernetz mit Fäkalbakterien und Ammoniak verseucht.
In der
philippinischen Hauptstadt Manila werden in fünf Jahren alle Grundwasserreserven
kontaminiert sein.
Auch im
wasserreichen Mitteleuropa steuern wir auf einen Wassernotstand zu. Gifte im
Wasser, Chemiemüll, Düngemittel und Luftverschmutzung verseuchen unser
wichtigstes Überlebensmittel.
Ein Teil
unseres Trinkwassers wird bereits aus Tiefengrundwässern gewonnen, die sich erst
in späteren Generationen erneuern. Einmal eingetretene Verunreinigungen sind nur
schwer oder gar nicht sanierbar. Vor allem unser oberflächennahes Grundwasser
ist fast flächendeckend starken Belastungen durch Schadstoffe ausgesetzt.
Nitratbelastungen aus der Landwirtschaft stellen neben dem Schadstoffemissionen
durch den Autoverkehr das größte Wasser-Gefährdungspotential dar. Hinzu kommen
viele andere Agrarchemikalien wie Pestizide und Phosphate.
Wasser ist unverzichtbar und unersetzbar - es ist ständig und weltweit ein
Thema. Die UNO fordert eine Erhöhung des Wasserpreises, um zum sparsamen Umgang
mit den knappen Vorräten des Süßwassers zu zwingen. Den "Schutz der
Wasserreserven" nennt die UNO eine der "vordringlichsten Aufgaben der
Weltpolitik". Die Vereinten Nationen nennen bei ihrem Appell zur Sparsamkeit die
Wassersünder beim Namen: Die Landwirtschaft verbraucht weltweit mit 70 % das
meiste Wasser.
Wasserschutzgebiet
oder Wasserschmutzgebiet?
Ganz Deutschland ist ein Wasserschmutzgebiet. Wie können wir wieder zu
einem Wasserschutzgebiet werden?
Eine Wasserschutzpolitik wird dafür sorgen, dass nur
noch Stoffe produziert werden dürfen, die biologisch abbaubar sind oder in die
Produktion neu integriert werden können. Wasserkreisläufe müssen sich schließen.
Die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft wird nicht zuletzt davon abhängen, ob sie
lernt, in Kreisläufen zu produzieren. Eine wertvolle Hilfe ist die Rückbesinnung
auf Vorbilder der Natur. Dort, wo früher natürliche Landschaften mit
funktionierenden Gewässersystemen zu finden waren, war in aller Regel auch eine
hohe Ästhetik und Harmonie spürbar. Viele Städte verdanken dem Wasser die
Qualität und Originalität ihres Stadtbildes: Venedig, Amsterdam, Bergen,
Freiburg, Rio de Janeiro, San Francisco, Chikago, Detroit, Aachen,
Friedrichshafen, Konstanz, Hamburg und Baden-Baden - zum Beispiel.
Wasser hat
einen großen Einfluss auf das Stadtklima und damit auch auf die Frische und das
Wohlbefinden des Lebens in einer Stadt, auf die Atmosphäre und die Psyche seiner
Bewohner. Architekten werden wieder verstehen lernen, dass abfließendes
Regenwasser nicht versteckt werden muss, sondern sichtbar sein kann. Sein
Perlen, sein Strömen, seine Lichtbrechung kann als natürliches Kunstwerk
begriffen werden. Wellenspiele und Lichtreflexionen ermöglichen Stadtbewohnern
eine emotionale und bewusste Beziehung zum Naturelement Wasser.
In unseren Stadtbildern der Zukunft bereichern Wasserkunstwerke wieder
öffentliche Plätze, Gärten und Parks, Offene Rinnen können - wie in Freiburg
schon lange - der Verkehrsberuhigung dienen. Sie können mit Regenwasser
betrieben werden oder auch Teile des Abwassersystems sein.
Wir müssen
wieder tief empfinden lernen, dass Wasser der Ursprung allen Lebens ist. Ohne
Wasser gibt es keine Tiere, Pflanzen und Menschen. Wasser macht die Felder
fruchtbar. Wasser ist durch nichts zu ersetzen. Wasser kehrt in den Kreislauf
der Natur zurück. Kein Tropfen geht verloren. Wasser ist unser wichtigstes
Lebens-Mittel. Wasservergiftung ist unmoralisch.
Eine
verantwortliche Wasserpolitik muss so konzipiert sein, dass wir unseren Kindern
einmal guten Gewissens sagen können: Kinder, das ist euer Wasser! Die Flüsse
sind wieder so, dass ihr in ihnen baden und schwimmen könnt. Die Flüsse sind
wieder so, dass es in ihnen viele Fische gibt. Und die Fische sind auch nicht
mehr krank. Denn wir haben inzwischen gelernt, dass das, was die Fische krank
macht, auch die Menschen krank macht. Kinder, das Wasser ist wieder euer Wasser!
Wir sollten mit unseren Kindern symbolisch einen Wasser-Generationenvertrag
schließen.
Für alle
Menschen aller Generationen gilt die Erkenntnis: Wasser ist Leben, Wasser ist
Glück, Wasser ist Wohlstand. Wasser ist aber auch Freiheit, Gerechtigkeit und
Geborgenheit.
"Stirbt der Fluss, stirbt das Volk", sagt ein brasilianisches Sprichwort. Genau
so gilt aber auch: Lebt der Fluss, lebt das Volk. Wir haben die Wahl.
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